Stressphase 6 -
von von 35 bis 42
Mindestens sechs Millionen Menschen leiden in der Bundesrepublik an Bluthochdruck (Hypertonie). 250 000 Menschen – vorwiegend Männer – sterben alljährlich an den Auswirkungen dieser Krankheit. Besonders die Altersgruppe um die 40 ist betroffen, wenngleich jüngere Jährgänge und Frauen immer mehr mit einbezogen werden. Selbst vor Kindern und Jugendlichen macht der Herzinfarkt nicht halt.
Mit weitem Abstand nehmen die Kosten der Kreislauferkrankungen die Spitzenstellung ein. Kollaps und Herzversagen sind die häufigsten Todesursachen.
Was ist nun der Grund einer solchen Entwicklung? Wir wissen zur Genüge, dass bestimmte Risikofaktoren wie falsche Ernährung, Bewegungsmangel, der übermäßige Genuss von Tabak, Alkohol und Drogen besonders in diesen und jenen Kombinationen einen massiven Angriff an das Herz-Kreislaufsystem darstellen.
Ist aber das schon alles? Hat jemand seinen Kreislauf bereits in Sicherheit gebracht, wenn er auf Genüsse und Bequemlichkeit verzichtet? Wohl kaum. Sehr viele Menschen werden nämlich nicht mit der Welt, wie sie heute ist, fertig. Leistungsdruck und Umwelteinflüsse dringen tief in das nervale Geschehen ihres Organismus vor.
Damit soll nicht jedwede Leistung verteufelt werden. Im Gegenteil. Leistungen am Arbeitsplatz, besonders solche, die eine innere Befriedigung auslösen, werden wohl kaum einen schädlichen Stress hervorrufen und somit auch nicht unbedingt den Herz-Kreislaufapparat angreifen.
Anders verhält es sich allerdings bei dem berühmten „Druck von oben“. Von oben „drücken“ mag ein ehrgeiziger Chef, dem die Umsatzzahlen mehr am Herzen liegen als die Arbeitsfreude seiner Untergebenen. „Drücken“ mag auch die Konkurrenz, die Ehefrau, die soziale Situation. Hochdruckkranke stellen manchmal im Urlaub mit Überraschung fest, dass der Blutdruck ohne Tabletten nahezu normale Werte aufweist.
Generell darf man sagen, dass eine auf diese Art ins Ungleichgewicht geratene Arbeit keine Freude, geschweige denn innere Befriedigung hervorruft. Der Organismus hat es gelernt, auch gegen unsichtbare Feinde zu kämpfen, und er tut es eine Zeitlang erfolgreich. Wie an anderer Stelle bereits beschrieben, läuft bei Angriffen auf den Körper oder die Psyche immer ein- und derselbe Alarm- und Anpassungsmechanismus ab, der – ist er auf die Dauer nicht erfolgreich – zu Erschöpfung und Tod führen kann. Die Adrenalin-Ausschüttung der Nebenniere hat zunächst eine sehr sinnvolle Funktion. Die durch dieses Stresshormon hervorgerufene Verengung der Blutgefäße soll ja das Herz schneller schlagen lassen, damit der Körper jene Hochform erreicht, die ihm eine schlagkräftige Abwehr erst ermöglicht. Der Seelenfeind ist aber nicht greifbar. Es gibt für den Organismus keine Abreaktion. Die ständige einseitige (auf Daueralarm ausgerichtete) Steuerung des vegetativen Nervensystems führt letztlich zu einer bleibenden Fehlsteuerung – zum Bluthochdruck.
Der vorschnelle Griff zum Rezeptblock sollte bei Patienten, die erstmalig von ihrem Bluthochdruck erfahren, unbedingt vermieden werden. Anstelle einer sofortigen medikamentösen Behandlung sollte zunächst versucht werden, die ausschlaggebenden Ursachen herauszufinden. Diese können – wie Stressforscher Selye sagt – „in der Person eines Familienmitgliedes oder unseres Vorgesetzten am Arbeitsplatz liegen. Vielleicht aber auch in uns selbst, weil wir z. B. übersteigerten Wert darauf legen, unbedingt immer Recht zu behalten.“
Bei der Behandlung von Bluthochdruck wird immer wieder übersehen, dass in vielen Fällen diese Krankheit bereits im Zuge der Anpassung an die Bedürfnisse des Organismus zu einem chronischen Leiden geworden ist. Menschen, die sich bei einem überhöhten Blutdruck relativ wohl fühlen, brauchen aber diesen erhöhten Druck im Kreislauf (sofern sie nicht schon in die kritische Zone geraten ist), damit eine ausreichende Durchblutung auch in den peripheren Körperbezirken aufrechterhalten wird. Eine drastische medikamentöse Senkung des Blutdrucks könnte verheerende Folgen haben. Andererseits bedarf ein ständig erhöhter Blutdruck der behutsamen medikamentösen Beeinflussung, um das Herz von der Dauerbelastung zu befreien und das Infarktrisiko zu senken.
Wie bei allen Leiden, die sich auf seelisch-vegetativen Wegen einschleichen, und für die die Medizin noch eine exakt nachweisbare Entstehungsursache sucht, muss auch der Bluthochdruck als solcher hingenommen und recht oder schlecht bekämpft werden.
Etwas mehr Boden unter den Füßen haben Mediziner, wenn es sich um eine Hypertonie infolge eines starren Gefäßsystems handelt. In einem verhärteten Gefäßrohr muss zwangsläufig ein höherer Druck herrschen als in einem weichen, elastischen. Verantwortlich für die Starre ist die innere Auskleidung der Gefäße mit Schlackenstoffen sowie Ablagerung von Kalzium und Cholesterin.
Infolge der verloren gegangenen Elastizität muss der Blutdruck unbedingt ansteigen, damit der Kreislauf aufrechterhalten werden kann. Hier haben wir es mit einer dauerhaften Stresssituation innerhalb des Organismus zu tun, denn das Herz „wehrt“ sich permanent gegen das sich ständig weiter verengende Gefäßsystem.
Dies bedeutet, wie irrtümlich oft angenommen wird, unter keinen Umständen ein Herzfehler. Im Gegenteil. Das Herz hat hier andere Fehler des Organismus auszugleichen.
Neben der oft unvermeidlichen medikamentösen Behandlung sollten bei Patienten mit ständig erhöhtem Blutdruck auch Mittel angewendet werden, die in vielen Fällen geeignet sind, eine Blutdrucksenkung auf natürlichem Wege und auf Dauer zu erlangen.
Besonders wichtig sind der natürliche Lebensrhythmus, eine Beeinflussung durch natürliche Reize sowie Diät. Dazu behören: die Vermeidung von Alkohol und koffeinhaltigem Kaffee, sieben bis acht Stunden Nachtruhe, wenn möglich auch der Mittagsschlaf, täglich körperliche Bewegung und Wasseranwendungen nach Kneipp. Unbedingt zu vermeiden ist am Abend der Griff zur Flasche nach stressigem Büroalltag. Dazu noch möglichst Dutzende von Zigaretten. Eine trügerische Entspannung. Die innere Leere wird durch einen verführerischen Stoff gefüllt: Dopamin. Der Neurotransmitter vermittelt dem Gestressten nur kurzfristig das Gefühl von Kraft und Stärke.
Besonders bewährt haben sich Wechselarmbäder, ansteigende Fußbäder, Arm- und Kniegüsse sowie Wassertreten, Leib- und Wadenwickel. Auch die Sauna ist bei richtiger Anwendung ein ausgezeichnetes Mittel zur Erhaltung der Elastizität der Arterien. Unter Umständen kann das regelmäßige Saunabad die vorzeitige Abnutzung der Blutgefäße und die damit möglichen Komplikationen verhindern.
Trotz medikamentöser und physikalischer Behandlungsmethoden ist die Bedeutung der Diät überragend. Wichtig ist knappe, salz- und fettarme Kost sowie Flüssigkeitsbeschränkungen. Als Getränke kommen koffeinfreier Kaffee, Kräutertees, Obstsäfte und fettarme Milch- bzw. Sauermilchprodukte in Frage. Zusätzlich sind Vitamin E (Keimöle und Diätmargarinen), Vitamin A (Karotten bzw. Möhren) und Vitamin B 6 (Vollkornerzeugnisse) zu empfehlen.