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"Wir können Patienten doch nicht zur Scheidung raten!"

 

 

Stressphase 5 -

 von 28 bis 35

 

„Wir können doch unseren Patienten nicht raten, sich scheiden zu lassen oder ihren Arbeitsplatz zu wechseln“, fand ein Internist. Man male sich die Konsequenzen aus! Nein, die Verantwortung sei einfach zu groß.

Dennoch wissen Ärzte längst: Die Trennung vom Ehepartner, vom Arbeitsplatz oder Wohnort kann manchmal wahre Wunder vollbringen, wenn das Zusammenleben mit bestimmten Leuten einer psychischen Dauermarter gleichkommt. Oft wissen Menschen gar nicht, welcher seelischen Belastung sie sich tagtäglich im Umgang mit unumgänglichen Zeitgenossen aussetzen. Sie schlucken ihren Ärger herunter und – schweigen.

Wenn diese Opfer sich dann eines Tages im Wartezimmer eines Arztes wieder finden, haben sie oft vergessen, was ihrer Krankheit eigentlich vorangegangen war. Sie verlangen vom Doktor ein sicheres und wirksames Mittelchen, möglichst das neueste, was auf dem Markt ist.

Ein guter Arzt muss in dieser Situation in arge Gewissenskonflikte geraten. Er weiß – oder er sollte wissen - , dass etwa ein Magengeschwür niemals isoliert betrachtet werden kann. In den meisten Fällen ist es der Ausfluss einer unharmonischen Funktionslage. Funktion aber ist immer gleichzeitig Gesamtfunktion des ganzen Menschen.

Der gute Arzt löst sich also sehr schnell von dem betroffenen Organ und wendet sich – nicht zuletzt um eine wirkliche Heilung herbeizuführen – dem Menschen in seiner Gesamtheit zu. Der wesentliche Punkt nun aber ist: Sollte der Arzt dem Patienten zu etwas raten, wenn er schwache Punkte im Familien- oder Arbeitsleben herausgehört hat? Sollte er lieber schweigen, wenn er „unabsehbare Konsequenzen“ wittert?

 

Worin besteht die „ärztliche Kunst“?

 

Ich glaube, diese Frage kann sich jeder Arzt selbst beantworten. Schwört er doch heute noch auf Hippokrates, der unter Heilung „ärztliche Kunst“ verstand, eine Kunst, die darin besteht, einen Kranken zum Gesundwerden hinzuführen. Dieser Weg wird aber nur in den seltensten Fällen mit einem schnellen Griff nach dem Rezeptblock und dem Verschreiben von „wirksamen“ Pillen beschritten.

Ärzte sollten wieder Mut zur Heilung haben und sich nicht mit dem Zurückdrängen von Krankheitszeichen begnügen. Weitsichtige Standesvertreter beschreiten diesen Weg, trotz chronischen Zeitmangels und trotz der Unvernunft vieler Patienten.

Der hastige Griff nach Zigaretten, Alkohol und Tabletten ist besonders bei jenen zu beobachten, die sich im Beruf abstrampeln, die nach eigener Beurteilung noch „nichts geworden“ sind. Unzufriedenheit aber ist der denkbar schlechteste Nährboden für die Gesundheit. Werden dann auch noch dem Organismus – eben wegen dieser Unzufriedenheit – laufend Gifte zugeführt, ist ein verhängnisvoller Teufelskreis geschlossen.

Dank der Forschungsergebnisse von Professor Selye ist bekannt, dass ganz unterschiedliche Reize dasselbe Resultat, dieselbe Reaktion des Organismus hervorrufen. Dieses stereotype Syndrom bedeutet: Vergrößerung und übermäßige Tätigkeit der Nebennierenrinde, eine Schrumpfung der Thymusdrüse und der Lymphknoten sowie – und das sei an dieser Stelle hervorgehoben – die Bildung von Magen- und Darmgeschwüren.

Die Entstehung von Magen- und Darmgeschwüren auf diesem Wege ist einmal durch den erhöhten Kortikoidgehalt zu erklären, besonders dann, wenn die Anpassungsphase bei gleichzeitiger Ausschüttung dieses Stress-Hormons über Gebühr lang andauert. Zum anderen wird das vegetative Nervensystem verantwortlich gemacht, wenn bei körperlichem wie psychischem Stress die Verdauungsorgane vorübergehend oder dauernd stillgelegt werden. Die Blutgefäße ziehen sich zusammen. Die Folge: eine verminderte Blutzufuhr und damit eine erhöhte Entzündungsgefahr.

Sehr oft wird bei Patienten, die einen großen „Anschlag“ auf den Organismus (starke Verbrennung, Operation) erlebten, gleichzeitig ein Magen- oder Darmgeschwür festgestellt.

Stress für den Verdauungskanal ist natürlich auch eine falsche Ernährung. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wenn eine Speise schon bis ins Feinste aufbereitet ist, noch bevor sie eingenommen wird, müssen Verdauungssäfte und Muskulatur ihre Arbeit zwangsläufig einstellen. Die hohe Durchlaufgeschwindigkeit, mit der eine solche Nahrung (z. B. Speiseeis) den Verdauungskanal passiert, ist eine große Belastung für den Organismus.

Nun stelle man sich vor, dieser chronische Angriff auf den Magen, bedingt durch ein stereotypes Abwehrsystem des Organismus, wird nun auch noch durch Gifte verstärkt, die durch Rauchen, Kaffeegenuss, Alkohol und Tabletten eingenommen werden.

 

Heilung ohne das „letzte Mittel“?

 

Solche Risikofaktoren sind doppelt gefährlich, wenn schon eine kranke Grundhaltung seelischer oder sozialer Art vorliegt. Jeder zehnte Einwohner der Industrieländer erkrankt einmal im Laufe seines Lebens an einem Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür. Die medizinische Wissenschaft hat noch nicht die geeigneten Anhaltspunkte darüber gewonnen, wi3e man dieses Geschwür (Ulcus) heilen kann, ohne zum letzten Mittel, der operativen Entfernung dieser Magenregion greifen zu müssen.

Unmittelbarer Verursacher des Geschwürs ist der Magensaft, der Salzsäure und das Eiweiß abbauende Enzym Pepsin enthält. Wird zu viel Magensaft produziert, kann er die Schleimhaut in dem direkt an den Magenausgang anschließenden Zwölffingerdarm (Duodenum) zerstören. Er verdaut nicht mehr nur die aufgenommene Nahrung, sonder auch das Gewebe der Darmwand.

Das Geschwür kann zu lebensgefährlichen Komplikationen führen, wenn es durch die Darmwand ganz durchbricht und der Darminhalt in die freie Bauchhöhle gelangt oder wenn ein größeres Blutgefäß angedaut wird, so dass es zu inneren Blutungen kommt. Möglicherweise wird auch durch die immer wieder neu sich bildenden und vernarbenden Geschwüre allmählich der Magenausgang verengt. In solchen Fällen wird man auch in Zukunft zu einer Operation greifen müssen.

 

Die nächste Stressphase 6 sind die Lebensjahre  von 35 - 42:

 

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Felix H. Bendig, Medizinjournalist, Mentaltrainer und Buchautor

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