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Zu lange auf der Wartebank

 

Stressphase 3 -

von 14 bis 21

 

Die Jugend ist schon erwachsen. Dennoch bleibt sie Jugend – am Arbeitsplatz, in den Universitäten. Sie muss gehorchen, sich abfinden, warten. Sie ist noch nicht an der Reihe, wenngleich ihre geistige und biologische Reife nichts mehr zu wünschen übrig lässt. Genau genommen sind deshalb etwa blutige Studentendemonstrationen nicht immer Ausdruck politischer Querulanz. Sie sind im innersten Kern psychoneurotische Reaktionen auf innere und äußere Haltlosigkeit, auf die Zwangsjacke des heutigen zivilisatorischen Milieus.

Wie ist das zu erklären?

Die heutige technisierte und perfekt durchorganisierte Welt zwingt einen großen Teil der Jugend auf eine immer längere Wartebank. Immer längere Vorbereitungszeiten müssen Jugendliche durchleben, bevor sie in den Verantwortungsbereich des Erwachsenenlebens treten dürfen. Andererseits steht ein anderer Teil ein und derselben Jugend bereits am Arbeitsplatz seinen Mann. Beide Gruppen stecken in einer unterschwelligen Stresssituation. Die durch die beschleunigte biologische Entwicklung vorverlagerte Pubertät schafft ein Reifungsdefizit. Die Jahre nach der Pubertät sind entweder durch eine unerträglich lange Wartesituation (Studenten) oder durch ein vorverlegtes Arbeitsleben (Lehrlinge) beschwert.

Belastet wird diese Lebensphase durch die Auswirkungen der Pubertät selbst. Was Mädchen und Jungen noch mit zehn oder zwölf Jahren spielend verkrafteten, stößt jetzt auf heftige Reaktion. Der reifende junge Mensch gerät nicht selten in einen Strudel äußerster Sensibilität. Auf Angriffe (Stress) noch so harmloser Art wird heftig reagiert. Wechselnde Stimmungen und Launen sind an der Tagesordnung. Die Entwicklungskonflikte, die sich in diesen „Flegeljahren“ in ungebärdigem Wesen entladen, haben medizinisch einen plausiblen Hintergrund.

Nehmen wir das Mädchen: Das ganze Leben einer Frau wird von der Kindheit bis zum Tode weitgehend durch die hormonelle Funktion der Eierstöcke (Ovarien) geprägt. Die Funktion und Tätigkeit der Eierstöcke ist in einem Regelkreis eingeschaltet, zu dessen übergeordneten Zentren die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und das Zwischenhirn (Hypothalamus) gehört.

Am Ende der Kindheit, genauer – beim Mädchen zwischen dem zehnten und 14. Lebensjahr, beim Jungen  zwischen dem zwölften und 17. Lebensjahr – wird auf bisher noch nicht bekannte Weise dieses System in Gang gesetzt. Durch die zunehmende Produktion des Hormons Östrogen beim Mädchen und Testosteron beim Jungen, werden Veränderungen im Organismus hervorgerufen, die zur Pubertät führen.

Beim Mädchen beginnen von dieser Zeit an die zyklisch ablaufenden Funktionsänderungen im Organismus. Wichtigstes Zeichen: die monatliche Regelblutung.

Der Übergang zur Geschlechtsreife ist beim Jungen nicht weniger tief greifend, sowohl auf körperlichem wie auch auf seelischem Gebiet. Die Pubertät kündigt sich bei ihm durch Erektion und Pollution an, nachdem Stimmbruch und stärkere Entwicklung der Geschlechtsmerkmale den Prozess eingeleitet haben.

Dies ist auch die Zeit der großen Liebeskummer, des Alles oder Nichts. Die Begegnung mit der ersten Liebe wird zu einer Existenzfrage. Vor diesem seelischen Hintergrund ist beispielsweise ein erster Kuss Auslöser höchster Alarmbereitschaft im Organismus – Stress.

In diesem Stadium sehen sich Eltern und Erzieher einer schwierigen Aufgabe gegenüber. Sollen sie den Überspanntheiten, Launen und Begierden ihrer heranwachsenden Zöglinge nachgeben, ihnen volles Verständnis entgegenbringen oder sollen sie durch Strenge der Zügellosigkeit Einhalt gebieten?

 

 

Es ist ein schmaler Pfad, auf dem Eltern sinnvoll erzieherisch ein wirken können. Wenn es ihnen gelingt, die Balance zu halten, wenn sie frei gewähren lassen und trotzdem Einsicht, Vernunft und Verantwortungsgefühl wecken, haben sie viel erreicht.

Was Eltern anrichten können, wenn sie allzu forsch die „Begierden“ ihrer Töchter und Söhne zügeln wollen, soll dieses Beispiel verdeutlichen: Eine Mutter sucht eine Ideologie durchzusetzen, nach der alle Wünsche, ein Bedürfnis zu befriedigen, negativ bewertet werden. Alles Triebhafte, also auch alles Sexuelle ist ihrer Meinung nach eines Menschen unwürdig, allein die Leistung zählt.

Diese eigenwillige Form von Emanzipation kann fatale Auswirkungen haben. Allzu leicht machen sich nämlich die Töchter diese Ideologie zu Eigen. Und da Hunger ebenso großer Trieb ist wie sexuelles Verlangen, versuchen sie, diesen Trieb durch Fasten zu unterdrücken. Der Hinweis, man wolle auf seine schlanke Linie achten, ist oft nur eine Schutzbehauptung.

In Wirklichkeit handelt es sich bei dieser seit vielen Jahren unter jungen Mädchen verbreiteten Magersucht um eine mehr als ernst zu nehmende Neurose. Diese seelisch kranken Mädchen, so hieß es kürzlich im Deutschen Forschungsdienst, wollen meist unbewusst nicht Frau sein. Sie versuchen alles, um an ihrem Körper nicht weibliche Formen aufkommen zu lassen. Sie essen nicht, obwohl sie nicht an Appetitlosigkeit leiden. Wird eine solche Pubertätsmagersucht nicht von einem Spezialisten behandelt, kann sie unter Umständen zum Tode führen. In etwa 15 Prozent aller Fälle ist das nachzuweisen.

Dieser ungewöhnlichen Abkehr von der Sexualität bei geschlechtsreif werdenden Jugendlichen steht die Leistungssexualität gegenüber. Ein heiß diskutiertes Thema dabei ist die „Pille“. Soll sie einer 14jährigen schon verordnet werden? Ärzte sind da verschiedener Ansicht. Während die einen Bedenken moralischer und medizinischer Art haben, argumentieren die anderen schlicht, eine Abtreibung sei viel schlimmer.

Es gibt halbwegs verlässliche Befunde darüber, dass die „Pille“, in so jungem Alter verordnet, einen wachstumshemmenden Effekt haben kann. Deshalb sollte sie auch erst nach abgeschlossenem Längenwachstum, also etwa im 15. Lebensjahr, genommen werden. Andererseits ist auch nicht ausgeschlossen, dass eine lang andauernde Unterdrückung der Funktion von Zwischenhirn (Hypothalamus), Hirnanhang (Hypophyse) und Eierstöcke (Ovarien) gerade zu der Zeit, da sich die hormonelle Regulation beim reifenden Mädchen einspielt und zu einem stabilen Zyklus führt, im negativen Fall eine dauernde Zyklusstörung wenn nicht gar Sterilität zur Folge haben kann.

Gewarnt muss auch dann vor der „Pille“ werden, wenn Stress bereits ein hormonelles Übergewicht geschaffen hat: Typisches Merkmal: Erhöhter Blutdruck und bestimmte Stoffwechselstörungen. Das sind nur einige Beispiele dafür, mit welchen Situationen Menschen dieses Alters fertig werden müssen. Leicht, allzu leicht können sie aus dem seelischen Gleichgewicht geraten. Seelisches Ungleichgewicht aber schafft eine Form von Stress, die zu den unangenehmsten zählt.

 

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Felix H. Bendig, Medizinjournalist, Mentaltrainer und Buchautor

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